Die Waffe…
… welche Japan vor allem berühmt machte, war das Schwert. Je nachdem, ob es sich um ein ein- oder zweischneidiges Schwert handelte, unterschied man zwischen dem Tachi und dem Tsurugi.
Dem Schwert…
… als edelstem Besitz des Kriegers wurde seit frühesten Zeiten eine Verehrung zuteil, die es zum Symbol seiner Ideale werden ließ. Die rechtmäßigen Träger der Schwerter waren vornehmlich die Samurai. Durch den Besitz der Schwerter wurde die gerechte Ausübung ihres Amtes versinnbildlicht, und die moralische Auffassung ihrer Dienstpflichten ging häufig soweit, dass ein Samurai, der im Kampf nicht genügend Tapferkeit bewiesen hatte, sein Amt schlecht verwaltete oder sich sonst einer großen Verfehlung bewusst war, mit seinem eigenen Schwert die begangene Tat durch Freitod sühnte. Sollte gar ein Bushi sein Schwert, das allgemein als die Seele des Samurai bezeichnet wurde, verlieren, galt er als entehrt und unterlag der strengsten Strafe. Dazu heißt es im fünfunddreißigsten Gesetz von Tokugawa Iyeyasu:
„Die Umgurtung mit dem Schwert verleiht dem edlen Samurai kriegerischen Geist. Derjenige, welcher sein Schwert verliert, ist ehrlos und soll unnachsichtig gestraft werden.“
Ein Samurai…
… durfte nie, außer zu Hause, sein Schwert ablegen, und sogar in den eigenen vier Wänden musste er es stets griffbereit haben. Der Samurai-Knabe lernte es frühzeitig zu handhaben, und die einfachen Leute hatten genug Grund, es zu fürchten. Wollte nämlich ein Samurai die neue Klinge seines Schwertes erproben, durfte er einen Angehörigen der unteren Klassen nach den Regeln der Schwertkunst erschlagen. Zwar war das Tameshigiri, die Schwertprobe an lebenden Menschen, unter den meisten Rittern verpönt, doch regte sich kein Gericht darüber auf. Meistens wurde dabei das Kaishaku (Kopfabschlagen) geübt. Hauptsächlich aber wurden die neuen Klingen an den Leichen geköpfter Verbrecher ausprobiert. Die Hiebe dafür trugen folgende Namen:
- Ryo Kuruma (Doppelrad) = Hieb durch die Hüfte.
- Tai-tai (sehr groß) = Hieb durch die Achseln und Oberkörper.
- Karigane (Wildgans) = Hieb durch den Oberkörper.
- Chiwari (Brustspalter) = Hieb durch die Brust.
- 0-kesa (Priestergewand) = Hieb quer durch den Oberkörper, von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte.
- Kami-tatewari (Spalthieb von oben) = Hieb durch den Kopf.
- Wakige (Achselhöhle) = Hieb durch die Brust, in Höhe der Achselhöhle.
- Kurumasike (Ende des Rades) = Hieb durch den Bauch.
- Suritsuke (Einreibung) = Hieb durch den Oberkörper, unterhalb der Brust.
- Shino-tatewari (Spalthieb von unten) = Hieb von unten, durch die Geschlechtsteile.
- San-no-do (dritter Körperschlag) = Hieb durch den Bauch.
- Ni-no-do (zweiter Körperschlag) = Hieb durch die obere Bauchhälfte.
- Ichi-no-do (erster Körperschlag) = Hieb durch den Bauch, in der Magengegend.
- Ko-kesa (kleines Priestergewand) = Abschlagen des linken Armes, von der Schulter zur Achselhöhle.
- Tabigata (Sockenrand) = Abhauen des Fußes.
- Sodesuri (Ärmelschnitt) = Abhauen der Hand.
Der wichtigste Hieb in der japanischen Fechtkunst aber war das Kaishaku (Kopfabschlagen), weiches bei der Köpfung eines erschlagenen Feindes und dem etzten Freundschaftsdienst, also beim Seppuku, perfekt sein musste.
Für den Knaben war es ein unvergesslicher Augenblick, wenn er im Schmuck des Samurai-Kostüms mit fünf Jahren auf ein Go-Spielbrett gestellt und dadurch in die Rechte des Kriegerberufes eingeführt wurde. Denn bei dieser, sein weiteres Leben und seinen Beruf bestimmenden Zeremonie steckte man ihm zum ersten Mal ein richtiges Schwert statt des kleinen Dolches, mit dem er bisher gespielt hatte, in den Gürtel. Von dieser Stunde an sah man ihn außerhalb des Vaterhauses nie mehr ohne das gefürchtete und verehrte Kennzeichen seines bevorzugten Standes, wenn dies auch für den täglichen Gebrauch durch einen vergoldeten Holzdolch ersetzt wurde. Nach einigen Jahren trug er schon beständig die echte, wenn auch stumpfe Stahlklinge. Stolz zog er nun aus, die Klinge an Holz und Stein auszuprobieren. Sobald er mit fünfzehn Jahren mannbar war, bekam er die üblichen Ritterwaffen der Erwachsenen. Das Tragen seiner beiden rasiermesserscharfen Schwerter gab ihm schon ein gehobenes Aussehen und ein gewisses Verantwortungsgefühl. Die beiden Samurai-Schwerter, das lange und das kurze Schwert – Dato und Shoto, kurz Daisho (groß und klein) oder Katana und Wakizashi genannt -, wurden immer am Körper getragen. Zu Hause standen sie in einem Ständer, bei Tag lagen sie am sichtbarsten Platz im Wohn- oder Studierzimmer und bei Nacht unmittelbar neben dem Kissen. Man gab ihnen Eigennamen und betete sie nahezu an. Wer aber sein Schwert nutzlos schwang, war als Feigling und Prahler verschrien. Ein beherrschter Bushi erkannte genau die rechte Zeit, wann er es einsetzen musste.
Als erste Schwerter galten die in Erdhügeln gefundenen Bronzeschwerter, welche vom Choku-to, dem geraden und fast immer einschneidigen Schwert, abgelöst wurden. Erst im 8. Jahrhundert (im Shosoin zu Nara) zeigten erstmalig einige Schwerter eine leichte Krümmung. Anfang des 15. Jahrhunderts erfuhr die Schwertform eine erhebliche Veränderung. Dies brachte aber die Änderung der alten Kampfweise mit sich, denn früher wurde ausschließlich zu Pferd gekämpft und deshalb das Langschwert seitlich getragen, während nun der Kampf zu Fuß sich herauskristallisierte und das senkrecht getragene Schwert eine Kürzung erfuhr. Außerdem wurde es allgemein Sitte, neben dem Katana, dem Kampfschwert, ein kürzeres, das Wakizashi (Seitenstecher) zu tragen, welches ursprünglich nur für das Seppuku gedacht war. Diese klassischen Waffen des Samurai waren einschneidige, leicht gebogene Hiebwaffen mit langer, schmaler Klinge und (beim Katana) langem Griff, da das Kampfschwert oft zweihändig geführt wurde. Das Langschwert war etwa fünfundsechzig Zentimeter und das Kurzschwert etwa fünfunddreißig Zentimeter lang (anm.: nur die Klingen). Nicht zu verwechseln sind diese Kampfschwerter mit den riesigen, überaus kostbaren zeremoniellen Hofschwertern, den Tachi, die nur Prunk- und Repräsentationszwecken dienten.
Während das Tachi an einem Koppelriemen waagrecht mit der Scheide nach unten getragen wurde, herrschte hinsichtlich des Tragens der beiden Kampfschwerter Katana und Wakizashi eine strenge Etikette. Grundsätzlich durften nur der hohe Adel und die Samurai zwei Schwerter mit sich führen. Die Art und Weise wiederum, wie das Schwert bzw. die Schwerter getragen wurden, verriet den Rang. So trugen die hohen Personen das Heft aufwärts gerichtet, so dass die Klinge senkrecht zu stehen kam. Die Angehörigen des Mittelstandes hatten das Schwert waagrecht im Gürtel stecken, und die Samurai hielten die Mitte dieser beiden Stellungen. Nur das Katana wurde im Feld ebenfalls wie das Tachi an einem Riemen getragen. Die mit der Schneide nach oben gerichtete Tragweise entsprach der Lage auf dem Schwertständer (Katana-kake). Nur die Tachi ruhten auf dem Ständer mit der Schneide nach unten.
Beim Betreten des Fremden wie des eigenen Hauses musste das Katana abgelegt werden, weshalb die Daimyo und hohen Vasallen, deren Schwerter durch das Makikake-no-kashira, das mit Seidenschnur umwickelte Kopfstück, kenntlich waren, bei den Besuchen am Hof nur ein Wakizashi mit schwarzer Lackscheide und besonders edlem Beschlag trugen. Da sie bei diesen offiziellen Besuchen das Festkleid (Kamishimo) anlegten, wurden diese Kurzschwerter Kamishimo-zashi genannt. Im Hause trugen die Daimyo und Samurai ein Wakizashi, das den Namen Tanto trug und dessen Klinge zum Seppuku in weißes Holz gefasst wurde. Die Frauen und Töchter der Samurai besaßen seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr einen kurzen Dolch (Kaiken).
Als einen schweren Verstoß gegen die gute Sitte rügte man das Anstoßen der Scheide gegen die eines anderen Schwertträgers. Das Umwenden der Scheide im Gürte1, als ob man die Waffe ziehen wollte, galt als Herausforderung. Die Beleidigung eines Schwertes kam der eigenen gleich und wurde meistens blutig gerächt. Sobald ein Bushi sein Schwert, mit der Spitze gegen einen anderen gerichtet, auf den Boden legte und es am Griff mit dem Fuß nach diesem stieß, machte er sich ebenfalls einer tödlichen Beleidigung schuldig, die unweigerlich zum Duell auf Leben und Tod führte. Wenn ein Samurai hingegen sein Schwert, mit der Spitze gegen sich selbst und den Griff gegen seinen Gegner gerichtet, auf den Boden legte, zeigte er damit seine friedliche Absicht und vertraute der Großmut des anderen. Auch war es ein schwerer Verstoß gegen die Etikette, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen, ohne vorher die Erlaubnis der Anwesenden dazu eingeholt zu haben.
Sobald das Familienoberhaupt seine Rechte auf den Nachfolger übertragen hatte, führte er als freiwillig Zurücktretender das Aikuchi, den Dolch ohne Stichblatt. Für den Samurai war das Schwert gleichbedeutend mit Klinge, denn sie war der edelste Teil der Waffe. Nach allgemeiner Überzeugung führte die Klinge ein selbständiges Leben und trug daher einen persönlichen Namen, die besten unter ihnen mit dem ehrenwerten Zusatz „Maru“.
Die Schwertscheide (Saya) bestand fast ausschließlich aus Holz und war mit Kupfer, Fischhaut (Same) oder meist reich dekoriertem Lack überzogen. Edle Klingen trug man häufig in schlichten schwarzen Lackscheiden und bewahrte sie in einfachen Scheiden aus weißem Holz auf. Die Schneiden mancher Schwerter, besonders der Wakizashi, trugen in Seitenschlitzen ein Beimesser (Kogotana) mit Stahlklinge und flachem, rechteckigem Griff (Kozuka) und die Schwertnadel (Kogai). Die längsgeteilte Schwertnadel (Wari-kogai) ersetzte im Feld die Essstäbchen. Ein Ortband (Kojiri) bildete zuweilen die Scheidenspitze, während das Kurigata zum Durchziehen einer starken Seidenschnur (Sgeo) zwecks Befestigung am Gürtel (Obi) diente. Der mit Rochenhaut bezogene und mit Seidenschnur umwickelte Holzgriff (Tsuka) wurde über die breite Angel der Klinge geschoben und durch einen Holzpflock befestigt, der auf beiden Seiten von Metallknöpfen (Menuki) bedeckt war. Diese Menuki hatten später keine Holzzapfen mehr und dienten nur noch der Erhöhung der Grifffestigkeit. Erfahrene Samurai befeuchteten vor einem Kampf den Holzpflock mit Speichel, um nicht an einem blitzschnellen Ziehen des Schwertes gehindert zu werden. Die Sammelbezeichnung für Kozuka, Kogai und Menuki war Mitokoromono. Den Griff deckte an der Stichblattseite die Zwinge (Fuchi), ein Metallring, den eine Platte mit Klingenschlitz gegen das Tsuba- Schutzplättchen (Seppa) abschloss. Der Knauf wurde vom Kopfstück (Kashira) gebildet, einer metallenen Kapsel, die in Dekor und Material meistens dem Fuchi entsprach und zwei Ösen für die Schnurumwicklung enthielt. Das Kashira war zuweilen, besonders bei den Schwertern der Daimyo, aus Horn gefertigt.
Nach der besonders scharfen Klinge war der kampfmäßig bedeutendste Teil des Schwertes das Stichblatt (Tsuba), da es die Schwerthand gegen den Hieb der feindlichen Klinge schützte. Zwei flache Metallplättchen (Seppa) sicherten seinen festen Schluss an die den Klingenansatz umfassende Gamasche (Habaki) und den Griff. Außer dem Schlitz für die Klinge zeigte es oft länglich-runde Durchlässe für Kozuka und Kogai. Die vorgeschichtlichen Choku-to-Tsuba waren meist radmäßig durchbrochene Scheiben aus zuweilen stark vergoldetem Eisen oder Bronze in Form des buddhistischen Juwels Hoju. In späterer Zeit wurden auch mit Kupfer belegte oder gelackte Leder-Tsuba gefertigt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts arbeiteten besondere Tsuba-Meister Stichblätter mit feinen Durchbrechungen (Heianjo-Tsuba) und mit Gelbmetalleinlagen (Onin-Tsuba) aus. Reines Gold wurde erst seit dem 17. Jahrhundert verwendet.
Bogen und Pfeil (Yumi und Ya)
Die Bewohner der japanischen Inseln führten bereits in vorgeschichtlicher Zeit Bogen (Yumi) und Pfeil (Ya). Die mit steinernen Spitzen versehenen Pfeile waren die ersten Angriffswaffen der Japaner. Vor der Einführung der Feuerwaffen im Jahre 1542 war im Inselreich die Verwendung des Bogens neben Lanze und Schwert derart gebräuchlich, dass die linke Hand als Bogenhand (Yunde) bezeichnet wurde. Der Bogen hatte im alten Japan seinem Zweck oder seiner Beschaffenheit entsprechende Namen. Das Anfertigen der Bogen war lange Zeit eine Geheimkunst. Der übliche Bogen hatte eine Länge von etwa zwei Meter (1,80-2,20 m) und wurde aus mehreren Holz- und Bambusleisten gefertigt, die kunstvoll zusammengefügt und durch Hanfbänder fest und dauerhaft verbunden waren. Der Bogenhandgriff wurde meistens mit einem Papier umwickelt, auf welches ein Geheimspruch des Kriegsgottes geschrieben war; diesen glückverheißenden Spruch umwand man hierauf mit Brokat und einem Lederriemen. Außer dem üblichen Bogen soll es auch noch große Bogen gegeben haben, die von mehreren Schützen bedient werden mussten. Man verwendete aber auch kleinere Bogen, welche nur einen bis eineinhalb Meter lang und aus Horn oder Fischbein gefertigt waren. Eigentümlich war jedem japanischen Bogen, dass sein Spannpunkt nicht in der Mitte, sondern auf dem unteren Drittel seiner Gesamtlänge lag. Während die ältesten Bogen noch schmucklos waren, wurden sie in späteren Zeiten lackiert und verziert. Die Verwendung von Bambus wurde zu einer geradezu unglaublichen technischen Vollkommenheit entwickelt.
Der Pfeil kam in den mannigfaltigsten Formen vor und hatte die verschiedensten Namen. Je nach Spitze unterschied man zwischen dem mit Widerhaken versehenen Darmzerreißer (Wataku-ri-ya), welcher beim Herausziehen aus dem Körper die Gedärme zerriss, dem Schildzerbrecher (Tatewari-ya), dem zur Vertreibung von Dämonen bestimmten Krötenaugenpfeil (Hikimeno-ya) und anderen mehr. Der gewöhnliche Pfeil war fünfundsiebzig Zentimeter bis einen Meter lang, und sein Schaft (Ya-notake) bestand aus Bambus oder leichtem Holz. Am unteren Ende trug er drei etwa fünfzehn Zentimeter lange Reihen Adler- oder Geierfedern. Meistens war er mit dem Namen des Schützen versehen, damit der Gegner wusste, von wem er getroffen worden war. Die Pfeilspitzen wurden aus Feuerstein gefertigt. Nur in Owari, Kaga und Echizen verwendete man hauptsächlich Pfeilspitzen aus Stahl von verschiedener Form und Größe. Gewöhnlich waren sie zwölf Zentimeter lang und acht Zentimeter breit. Neben den Kriegs- und Jagdpfeilen waren auch Brandpfeile in Gebrauch, deren Löcher an der Spitze mit einer Zündmasse gefüllt wurden, die man brennend gegen Holzgebäude abschoss.
Ein japanischer Bogenschütze führte durchschnittlich zwanzig bis fünfundzwanzig Pfeile in seinem Köcher (Ebira). Am linken Vorderarm trug er das kommaartig gestaltete, aus Leder gefertigte Rückprallpolster (Tomo) zum Schutz gegen das Anprallen der Bogensehne. Als gutes Omen für spätere militärische Überlegenheit galt ein dem Tomo ähnliches Muttermal am Körper der männlichen Babys.
Die Handschuhe zum Bogenschießen wurden aus dem Fusubekawa genannten Leder geschnitten. Das Muster des Fusubekawa wurde zunächst aus dickem Papier ausgeschnitten und hierauf auf das Leder geklebt. Danach erhitzte man das Leder, worauf sich das Muster abzeichnete. Auch verschiedene Teile der Rüstung wurden mit diesem Leder gepanzert.
Lanze und Hellebarde (Yari und Hoko)
Beim Speer der Japaner unterschied man zwischen der Wurflanze (Yari) und der Hellebarde (Hoko). Die berühmteste Waffe war das „Mähschwert“ oder die Schwertlanze, Naginata genannt. Die Naginata war die älteste Kombinationswaffe der Welt und entstand aus dem Obsidian-Messer oder der Feuersteinklinge, die an der Spitze eines Stockes befestigt wurden. Bald aber verdrängten Bronze und Eisen den längst nicht so dauerhaften Stein. Es ergab sich mit der Zeit eine Kombination aus Speer, Schwert und Streitaxt, weiche als Hellebarde bezeichnet wurde. Die Naginata, die es auch in China und Korea gab, war in der Feudalzeit eine Art Schwertklinge auf einem geraden, stabilen Schaft. Sie war zum Stoß wie zum Hieb gleich geeignet und wurde dem besten Schwertkämpfer in jeder Beziehung gefährlich. Als erster Samurai beherrschte Musashibo Benkei die Kunst des Naginata-Kampfes und besiegte mit dieser gefährlichen Hellebarde mehr als tausend Gegner. Schon bald bezeichnete man die Naginata als den rechten Arm des Samurai, und ab 1570 gab es in Japan bereits die ersten Schulen. Diese ideale Abwehrwaffe gegen das Kampfschwert Katana und den Bo-Stab wurde die Hauptwaffe der Frauen und Töchter der Samurai. Außer der berüchtigten Naginata gab es noch eine große Auswahl anders geformter Lanzen und Hellebarden, die ebenfalls in den Kriegen Verwendung fanden.
Kettensense (Kusari-kama)
Die Kettensense (Kusari-kama) wurde zur Abwehr von Schwertangriffen verwendet. Sie warf man dem Gegner so um das Handgelenk, dass es mit einem kurzen Ruck abgeschnitten werden konnte. Zu dieser gefährlichen Waffe gab es noch eine besondere Parierstange, mit der die Schwertstreiche abgefangen wurden.
Kurze Sense (Tonfa)
Wie die Kettensense war auch das Tonfa eine der ersten Bauernwaffen. Da die Bauern des Mittelalters keine Waffen tragen durften, waren sie durch die räuberischen Überfälle der gesetzlosen Ronin und anderer Wegelagerer gezwungen, ihre Arbeitsgeräte als Verteidigungswaffen einzusetzen. Anfangs setzten sie sich mit der Sense zur Wehr, die aber den großen Nachteil hatte, dass sie zu groß und als Waffe zu unhandlich war. Doch die Not machte erfinderisch, und so entwickelten die Bauern im Lauf der Zeit als Arbeitsgeräte getarnte Waffen, die sie bequem unter ihrer Kleidung verbergen konnten. Als mit diesen primitiven Waffen in den Bauernkämpfen die Samurai von den Bauern geschlagen worden waren, beschäftigten sich die Waffenmeister der Adligen mit diesen Bauernwaffen. Diese im Kampf geschulten Experten erkannten sofort die große Wirksamkeit dieser Waffen, deren Effektivität sie noch steigerten, indem sie Verbesserungen vornahmen und diese nun nach ihrem Geschmack weiterentwickelten Waffen mit anderen Kampfsystemen, wie Jiu-Jitsu und Kendo, kombinierten. Aus dem hinteren Ende der Sense wurde das Tonfa gefertigt und als Schlag- und Blockwaffe verwendet. Die von den Waffenmeistern verbesserten Tonfa waren dem Unterarm anatomisch angepasst, indem sie zum Ellenbogen hin schmäler wurden und so den Luftwiderstand beim Rotieren der Waffe verringerten. Auf dem etwa fünfzig Zentimeter langen Unterarmholz war ein fünfzehn Zentimeter langer Griff mit einem platten- bzw. kugelförmigen Aufsatz verkeilt und zehn bis fünfzehn Zentimeter von der breiten Endkante in das Holz eingesetzt. Während die Bauern den Feind nur außer Gefecht setzen und vertreiben wollten, benutzten die berüchtigten Ninja ihre Waffen zum Töten. Da das von diesen Einzelkämpfern übernommene Holz-Tonfa aber nur bei extrem guter Technik tödlich wirkte, konstruierten sie das Tonfa aus Eisen, denn sie hatten es meist mit wohlgerüsteten Samurai zu tun. Das schwere Eisen-Tonfa war eine absolut tödliche Waffe in der Hand eines Könners. Das Grundprinzip der paarweise angewandten Tonfa war einfach, aber sehr wirksam. Während ein Tonfa den Angriff abblockte, setzte das zweite den Gegner außer Gefecht oder tötete ihn.
Metallgabel (Sai)
Wohl die bekannteste ehemalige Bauernwaffe war das Sai, eine Metallgabel, die ebenfalls aus der Zeit des Waffenverbotes für Bauern stammte. Das Sai stammte von der hölzernen Heu- bzw. Mistgabel ab, deren drei Zinken einen Abstand von zwanzig bis dreißig Zentimeter hatten. Diese einfache, sehr leicht zu handhabende Waffe diente anfangs zur Abwehr gegen Schwerter und wurde daher mit verkürztem Griff aus Eisen hergestellt. Die Waffenmeister des japanischen Adels verfeinerten das Sai zu seiner heutigen Form. Der Mittelzinken des Sai war rund und wurde zur Spitze hin schmal. Die Spitze war abgerundet und nicht scharf, wodurch das Sai nicht sofort als Waffe erkannt wurde. Die beiden ebenfalls abgerundeten Außenzinken waren meist halb so lang wie der Mittelzinken, welcher mit dem Griff aus einem Stück gearbeitet und etwa fünfzig Zentimeter lang war, wovon etwa zehn Zentimeter als Griff dienten. Die ursprünglich sechzig Zentimeter breiten Zinken schrumpften auf etwa fünfzehn Zentimeter zusammen, und der ehemals mit einer Eisenkugel versehene Knauf wurde von den Waffenmeistern dahingehend verbessert, dass er nun spitz zulief und auch zum Stoßen verwendet werden konnte. In der Hand eines Waffenmeisters oder seines gelehrsamen Schülers wurde das Sai zu einer sehr gefährlichen Schlag- und Stoßwaffe, mit der man nach ihrem früheren Verwendungszweck auch sehr gut parieren konnte.
Wanderstange (Bo)
Der Bo, der ehemalige Wanderstab der Priester, war die natürlichste Verteidigungswaffe. Schon in frühester Zeit, wo die Wege von Räubern unsicher gemacht wurden, benutzten die Priester ihren Wanderstab zur Verteidigung als Hieb-, Stich- und Schlagwaffe. Eine bestimmte Länge des Stabes ermöglichte es ihnen, eine wirksame Waffe aus ihrer Stütze zu machen. Schon bald erkannten auch die Samurai die interessanten Variationen, welche die Bo-Stange bot, nämlich große Wirksamkeit aufgrund der Reichweite und einfache Handhabung. Kaum waren sie im Umgang mit dieser Waffe geübt, da entwickelten sie auch schon Bo-Stäbe aus Eisen. An beiden Enden befestigten sie Speerspitzen, Widerhaken, Eisenkugeln oder Ringe, mit denen sie die gegnerischen Klingen abfingen und zerstörten.
Wurfstern und Wurfnadel (Shaken und Shuriken)
Während der Shaken oder Wurfstern in den Klöstern Chinas entstand, entwickelte sich der Shuriken, die pfeilspitzenförmige Wurfnadel der Samurai und Ninja, aus den Haarnadeln der Geishas. Beide waren die kleinsten asiatischen Kampfwaffen.
Die Shaken wurden aus den verschiedensten Materialien gefertigt. Die Wurfsterne der Krieger stellte man aus Eisen her. Zum Training verwendete man Shaken aus sogenanntem Eisenholz, deren Spitzen nicht so schnell abstumpften. Während die Priester aus besonderen Muscheln geformte Shaken als Schmuckstücke und für die Konzentrationsübungen benutzten, verwendeten die Krieger ihre eisernen Shaken als versteckte Waffen. Die gebräuchlichste Form waren Shaken mit sechs Zacken, deren Enden unterschiedlich geformt waren. Die Wurfsterne der Krieger waren spitz und wurden meist mit Gift präpariert, wenn man einen Gegner rasch töten wollte.
Der japanische Einzelkämpfer, der Ninja, war ohne Shaken und Shuriken nicht denkbar, denn sie erleichterten ihm seine Aufgabe, im Alleingang feindliche Gruppen zu zerstreuen und nach Möglichkeit auszuschalten, wesentlich. Aber auch die Samurai bedienten sich bald dieser handlichen Wurfgeschosse, deren Durchmesser meistens nur fünf Zentimeter betrug. Die Kleidung der Samurai eignete sich vorzüglich dazu, die Wurfsterne versteckt zu tragen. Auf dem Rücken ihres Kimonos, wo der Gürtel durchgezogen wurde, war eine etwa fünf Zentimeter breite Erhöhung, die über die gesamte Breite des Rückens ging. Dort hatten die Samurai gewöhnlich bis zu fünf Shaken versteckt. Die Shuriken indessen benutzte man meistens nur im Krieg, allenfalls die Ninja bei ihren tollkühnen Einsätzen.
Dreschflegel (Nunchaku)
Diese alte asiatische Verteidigungswaffe entwickelte sich im 15. Jahrhundert auf der Insel Okinawa, als während der japanischen Besetzung dem gemeinen Volk das Waffentragen durch das Militär verboten wurde. Das Nunchaku bestand aus zwei bis vier Hölzern, verbunden durch eine Schnur aus Pferdeschwanzhaaren oder Reisstroh. Die unterdrückten Inselbewohner entwickelten aus ihrem bäuerlichen Dreschflegel aus zwei der Länge nach zusammengebundenen Stöcken eine peitschenartige Waffe, die blitzschnell und mit ungeheurer Wucht traf. Diese Universalwaffe wehrte mit Erfolg alle Angriffe, ob mit Schwert, Lanze, Naginata, Bo, Sai, Tonfa oder Jiu-Jitsu ausgeführt, zum Schaden des Gegners ab, indem man die Techniken des Schwingens, Blockierens, Einklemmens, Schlagens und Stoßens anwendete. Ein perfekter Nunchaku-Kämpfer war jedem Gegner überlegen.
Selbstverständlich übernahmen die Waffenmeister des alten Japan auch diese Kampfwaffe in ihr Programm der Ausbildung ihrer adligen Herren, die sich am liebsten ihre Zeit mit abwechslungsreichem Kampfsport vertrieben oder zur Jagd gingen.
Das Nunchaku wurde in Deutschland wegen seiner extremen Gefährlichkeit verboten, schon der Besitz ist strafbar.
Bu-Jutsu
Bu-jutsu ist die Sammelbezeichnung für die altjapanischen, militärisch-sportlichen Übungen der Samurai wie Ba-jutsu (Reitkunst), Ho-jutsu (Schießkunst), Jiu-Jitsu (Kunst der Selbstverteidigung), Ken-jutsu (Fechtkunst), Kyu-jutsu (Kunst des Bogenschießens), So-jutsu (Kunst des Speer- oder Lanzenfechtens).
1. Ba-Jutsu (Reitkunst)
Das Reiten im alten Japan war durchwegs kaum entwickelt, nur die Samurai hatten für ihre kriegerischen Zwecke eine Reitkunst entwickelt, die aber nicht an die der Reitervölker, wie der Mongolen oder Tataren, heranreichte. Auch das Verständnis für die Behandlung der Pferde ließ größtenteils viel zu wünschen übrig. Nur den Bergbewohnern war aufgrund ihres Säumerdienstes großes Geschick eigen, das sich im Aufzäumen und Bepacken, in richtiger Lastenverteilung und umsichtiger Führung der Pferde zeigte. Das aus Korea eingewanderte japanische Pferd war im allgemeinen klein, zart, und sein Hinterteil war schwach entwickelt. Japan selbst war kein Pferdeland und betrieb Pferdezucht nur an vereinzelten Orten, wo die Aufzucht der Pferde mühsam betrieben wurde. Aus den gebirgigen Gegenden im Norden Japans und aus dem Kwanto kamen die besten Pferde, deren Temperament und Feurigkeit die Samurai sehr schätzten. Trainiert wurden die Kriegspferde im Stall mit Hilfe eines vom Deckenbalken herunterhängenden Gurtes. Die geschicktesten Reiter waren die Samurai des Kwanto und des Grenzgebietes.
Das Pferdegeschirr (Bagu) der Samurai bestand aus Sattel (Kura), Schutzdecke unter dem Sattel (Shitagura), Steigbügeln (Abumi), Bügelhaltern (Chikaragawa), Schutzkappen an den Bügem (Afuri), Zügeln (Tazuna) und dem Sattelgurt (Haraobi). Bei der Reitkunst wurde besonders auf den Gehorsam und die Furchtlosigkeit eines Pferdes geachtet, von denen oft das Leben des Samurai im Kampf abhing.
2. Ho-Jutsu (Schießkunst)
Die Schießkunst der Bushi erstreckte sich früher auf die Armbrust, welche eine sehr große Rolle spielte. Bekannt waren der O-yumi, mit dem die gewöhnlichen Pfeile verschossen wurden, der Ishi-yumi (Steinschleuderbogen) und die Na-shiki (Steinschleuder). Weiterhin übte man das Schießen mit den verschiedensten Arten von Brandwaffen, mit denen Gebäude, Lager etc. in Brand gesetzt wurden. Von alters her war der Hi-ya (Feuerpfeil) bekannt, welcher von den Pfeilen abgelöst wurde, die beim Aufschlag am Ziel explodierten. Als weitere Brandwaffen hatten die Japaner den Ishi-bi-ya (Steinfeuerpfeil), der mittels einer Holzkanone gegen den Feind geschleudert wurde, und das Tep-po (Eisenrohr), ein mit Explosivstoffen geladenes und mit einer Lunte versehenes Eisenrohr. Als 1542 von den Portugiesen die ersten Feuerwaffen (Arkebusen) in Japan eingeführt wurden, entwickelte sich rasch eine neue Art von Schießkunst, nämlich die mit dem Gewehr. Diese ersten Arkebusen hießen anfangs Tane-gashima, da Pinto auf der gleichnamigen Insel nach seiner Landung 1542 dem dortigen Gouverneur einige Gewehre geschenkt hatte und der schlaue Verwaltungsbeamte zahlreiche Nachbildungen von der Insel Tanegashima ins Reich brachte. Kapitän Pinto rühmte die erstaunliche Geschicklichkeit der Japaner, denen es schon nach kurzer Zeit gelang, die Gewehre nachzubilden und treffsicher anzuwenden. Bereits sechs Monate nach seiner Landung hatten die Waffenschmiede sechshundert Arkebusen hergestelit. Nachdem die Japaner auch noch die Zubereitung des Schießpulvers gelernt hatten, stellten sie bald darauf eigenes her. Als 1551 portugiesische Händler dem Daimyo Otomo eine Kanone schenkten, wurde auch diese rasch in Holz nachgebaut. Diese sich schnell verbreitenden Feuerwaffen verdrängten bald Bogen und Pfeil. Doch die Kunst des Bogenschießens wurde nach wie vor von den Samurai beherrscht, denn die langsam zu bedienenden Feuerwaffen machten bis zur Meiji-Restauration keine nennenswerten Fortschritte.
3. Ju-Jutsu (Sanfte Kunst)
Jujutsu, die sanfte Kunst, welche gewöhnlich in Europa Jiu-Jitsu genannt wird, ist die Kunst der Selbstverteidigung ohne Waffen, wobei es mehr auf Selbstbeherrschung, Überlegung und Gelenkigkeit als auf Kraft ankommt. Durch geschickte Handgriffe oder schnelles Ausweichen vor dem ungestümen Angriff eines Gegners werden dessen eigener Schwung und eigene Kraft blitzschnell gegen ihn gewandt.
Der Ursprung des Jiu-Jitsu geht vermutlich bis auf die indische Massagekunst zurück, weiche über hundert schmerz- und lebensempfindliche Stellen am Körper kennt. Von Indien kam diese Kunst nach China. Um 1650 wurde sie in Japan eingeführt. Der Chinese Chin Gempin, welcher sich in Owari niederließ und dort 1671 verstarb, weihte nach seiner Aufnahme in den Samurai-Stand zuerst die Adligen von Edo in diese geheimnisvolle Kunst ein, welche dem Volk gegenüber stets streng geheimgehalten wurde. Schon nach kurzer Zeit bürgerte sich das Jiu-Jitsu bei allen Samurai ein und entwickelte sich rasch zu einem System der Selbstverteidigung ohne Waffen, das der Adel mit dem Ziel anwendete, den Gegner kampfunfähig zu machen oder zu töten. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts war Jiu-Jitsu eine der ersten Pflichten jedes Samurai und wurde im Bushido festgelegt. Das Volk hatte Angst vor dieser Geheimwaffe, denn die Bushi entschieden durch Tricks und Griffe des Jiu-Jitsu jeden Kampf, der mit Waffen nicht zu gewinnen war. Die Wissenschaft von der Hebewirkung gewisser Griffe und die Erfahrung, dass Kraft durch Geschicklichkeit ersetzt werden kann, sowie die Kenntnis der lebensgefährlichen Stellen des Gegners wurden zu einem gut funktionierenden System zusammengefasst. Erst als die Vorherrschaft des japanischen Rittertums im 19. Jahrhundert mehr und mehr zurückging, verlor die sanfte Kunst an erzieherischer und praktischer Bedeutung.
Die Grundlage des Jiu-Jitsu lautet: einen Schritt zurück! Aus dieser, dem Samurai tief eingeprägten Lehre ist nicht nur viel über den japanischen Sportgeist, sondern auch manches über Kriegsführung und Politik zu verstehen. Hatte aber jemand den Schritt zurück als Feigheit oder auch nur als Zeichen der Nachgiebigkeit ausgelegt, so wurde daraus ein vernichtender Schlag – zum Triumph der Japaner. Tokugawa Iyeyasu, der Begründer des Reichsmarschall-Amtes seiner Sippe, war für den geschichtlich gebildeten Samurai der Lehrmeister in dieser von ihm damals bereits so hoch eingeschätzten Kunst des Schrittes zurück, obwohl er Jiu-Jitsu noch gar nicht kannte. In seinen von tiefster menschlicher Erfahrung zeugenden Lehren steht unter anderem:
„Wehe dem, der nie erfuhr, besiegt zu sein! Zu einem bösen Ende wird er fahren, der nur des Sieges Hochflug kennt allein.“
4. Karate-Jutsu (Kunst des Fechtens mit der leeren Hand)
Die Kunst des Fechtens mit der leeren oder unbewaffneten Hand wurzelte im chinesischen Boxen, dem chuan-fa (Weg der Faust; was grob übersetzt kung-fu heißt) oder dem Kempo, das von Indien übernommen wurde und auf eine zweitausendjährige Geschichte zurückblicken kann. Während der Ming-Dynastie (1368-1644) der kulturelle Austausch zwischen China und Oki-nawa florierte, nahmen die Inselbewohner Okinawas etwa um 1374 mit dem kung-fu ersten Kontakt auf. Kurz darauf wurde der erste Okinawa-Kampfstil geprägt, das sogenannte tode (von tang, die Hand); dieser Name ließ die Bewunderung für die Tang-Zeit (618-906), die Periode der kulturellen Blüte Chinas, erkennen. China schickte Ende des 14. Jahrhunderts eine große Gruppe von Handwerkern, die sogenannten sechsunddreißig Familien, nach Okinawa, unter denen viele kung-fu Experten waren. Als die Japaner im 15. jahrhundert die Insel besetzten und deren Einwohner das Waffentragen verboten, versuchten diese, mit lange geheimgehaltenen Techniken sich und ihre Familien ohne Waffen zu verteidigen, wobei sich die verschiedensten Systeme entwickelten. Gemeinsam aber waren allen Systemen die dynamischen Stöße, Schläge und Tritte, meist mit Händen und Füßen ausgeführt, unter Berücksichtigung größtmöglicher Schnelligkeit und konzentrierter Kraft, und zwar auf empfindliche oder lebenswichtige Körperstellen des Gegners. Als 1629 in Okinawa verschiedene Geheimkonferenzen zwischen den kung-fu- und tode-Gruppen stattfanden, ergab sich daraus ein neuer Stil, der als Okinawa-te (Okinawa-Hände) bezeichnet wurde. Erst von Chomo Hanagi wurde 1906 zum ersten mal die Bezeichnung karate (leere Hände) gebraucht und war also keineswegs japanischen Ursprungs. Lange nach der Glanzzeit der Samurai, im Jahre 1915, wurde Karate in Japan durch die beiden Okinawa-Meister Kenwa Mahuni und Gichin Funakoshi eingeführt. Die Samurai wurden zwar in Okinawa mit dieser geheimen Kampfkunst konfrontiert, doch sie wurde ihnen nicht verraten, und manch einer musste seine Überheblichkeit mit dem Leben bezahlen, denn ihr Jiu-Jitsu war dem Okinawa-te oder späteren Kara-te unterlegen.
5. Ken-Jutsu (Fechtkunst)
Die Fechtkunst, auch kendo (von do = Weg oder Grundsatz) genannt, ist so alt wie das japanische Schwert selbst und war ursprünglich ein Vorrecht der Samurai. Das Ideal der Kamakura-Periode, als die Grundsätze des Bushido und des Zen-Buddhismus im japanischen Reich ihre Wurzeln schlugen, war der siegreiche Schwertkämpfer. Berühmte Fechtmeister (ken-kaku) waren angesehene und gesuchte Leute. Es Gehörte in den blutigen Zeiten des japanischen Mittelalters, besonders während der Ashi-kaga-Periode, der Zeit des wildesten Faustrechts, dazu, den Gegner nach gewissen Regeln bei lebendigem Leib in Stücke zu schlagen. Jede Verstümmelungsform hatte eine bestimmte Bezeichnung, und die jungen Samurai übten sich an Tier- und Verbrecherleichen in dieser blutigen Kunst. Es galt besonders, den Kopf mit einem Hieb vom Rumpf zu trennen und dabei eine vollkommen glatte Schnittfläche ohne die geringste Splitterung der Wirbelsäule und Faserung der Weichteile zu erreichen. Diese Kunstfertigkeit besaßen sonst nur die Scharfrichter.
In der Geschichte des Kampfschwertes Katana, der Seele des Samurai, nahm die ebenso alte Kunst des iaido einen wichtigen Platz ein. Als eine Form des ken-jutsu war iaido nicht nur die Kunst, das Schwert blitzschnell zu ziehen, sondern stellte vor allem den Weg zur Beherrschung der eigenen Emotionen, der Schnelligkeit und Exaktheit dar. Meist wurden die Übungen des blitzartigen Ziehens des Schwertes aus der Scheide, des Schlagens, Abwehrens und Zurücksteckens zeremoniell ausgeführt.
6. Kyujutsu (Kunst des Bogenschießens)
Die Kunst des Bogenschießens war wohl die älteste Kampfart der Japaner. das japanische kyßutsu unterschied sich vom europäischen Bogenschießen besonders dadurch, dass die Auseinandersetzung mit dem bogen und der eigenen Person geübt werden konnte. die japanischen Bogenschützen erlangten durch zähes Training und Konzentration eine erstaunliche Treffsicherheit, selbst auf große Entfernungen. durchschnittlich verschoss ein geschickter Schütze fünf Pfeile in der Minute.
Eine früher von den Samurai gepflegte Bogenschießübung war das yabusame, wobei vom galoppierenden Pferd aus drei entlang der Reitlinie angebrachte Ziele hintereinander mit dem ersten Pfeil getroffen werden mussten. eine andere Art der Übung bestand darin, einen während des Reitens in die Luft geworfenen Fächer mit dem ersten Pfeil zu treffen. das yabusame wurde zum ersten mal im 10. jahrhundert erwähnt und war in der ka-makura-periode sehr beliebt. Nach längerer Zeit der Vergessenheit lebte es in der edo-periode wieder auf. gespielt wurde aus Dankbarkeit darüber, dass einem shogun oder hohen Würdenträger ein Sohn geboren war oder bei der bevorstehenden Geburt eines Kindes, um von den kami eine glückliche Entbindung zu erwirken.
7. Nin-Jutsu (Kunst des Unsichtbarmachens)
Die Kunst des Unsichtbarmachens war ursprünglich ein Bestandteil des Diebes- und Räuberhandwerks, wurde aber bereits im Kampf der taira gegen die minamoto im 12. jahrhundert zu einem Werkzeug der Kriegsspionage umfunktioniert und in den späteren Bürgerkriegen als wichtiger Zweig der Taktik schulmäßig weiterentwickelt. Im Lauf der Zeit hatte sich ein agentenmäßiges Allround-jiu-jitsu entwickelt.
Zu den Eigenschaften eines Kundschafters (ninja) gehörten alle Fertigkeiten des Spionierens und Angreifens sowie Selbstbeherrschung, Körperkraft, Gewandtheit, Täuschungvermögen, Gedankenlesekunst, Geländekenntnis, Anpassungsvermögen, Arzneikunst etc. zur zeit des tokugawa-shogunates war das Agententum eine perfekt funktionierende maschine des jeweiligen Kronfeldherrn, der damit alle unliebsamen Anführer aus dem weg räumte. besonders wurden die Tarntechniken trainiert, welche im geheimen Lehrbuch ihre besondere Namen hatten:
- Hissma: durch Rauchbomben und Knallkörper wurde der Verfolger erschreckt und irritiert.
- Hitsuke: während das von ihm gelegte Feuer an einem Ausgang des feindlichen Palastes oder einer Burg gelöscht wurde, entkam der Ninja unbemerkt durch den anderen Ausgang.
- Kagashi Gakure: der Agent stand, völlig erstarrt wie eine Vogelscheuche im Feld.
- Thnuki Gakure: nachdem der Ninja einen Baum bestiegen hatte, passte er seinen Körper sowie Arme und Beine den Ästen an und verhielt sich dabei vollkommen ruhig.
- Ukigasu Gakure: der Agent warf an Seen oder Flüssen abgerissenes oder besser herumliegendes Strauchwerk auf das Wasser, um darunter mit dem Wind oder der Strömung zu schwimmen. Wurde er dennoch entdeckt, so tauchte er auf den Grund und atmete durch ein Schilfrohr. Dadurch konnte er sich unter Wasser völlig unsichtbar bewegen.
- Uzura Gakure: in der Dunkelheit rollte sich der Ninja derart zusammen, dass er aus einiger Entfernung wie ein Felsbrocken aussah. Dabei kam ihm seine schwarze oder zumindest dunkle Tarnkleidung mit der Kapuze und dem schwarzen Seidentuch über der unteren Gesichtshälfte sehr gut zustatten.
8. Schwimmen
Diese Bezeichnung galt für eine Reihe von Schwimmübungen, die zu praktischen militärischen Zwecken von den Samurai ausgeübt wurden. Bezweckt wurde damit, dass der Körper gegen die mannigfaltigen Gefahren und Schwierigkeiten, welche reißende Strömungen, hoher Wellengang, Strudel oder Schlingpflanzen mit sich brachten, gewappnet war. Außerdem musste ein Krieger die verschiedensten Tätigkeiten im Wasser verrichten, wie das Schwimmen mit Lasten, mit einem Gewehr auf der Schulter, dessen Pulver nicht nass werden durfte, mit einem riesigen Banner in der Hand, mit gebundenen Armen und Füßen – sowie Schießen oder Fechten im Wasser oder lautloses Schwimmen.
9. Shuriken-Jutsu (Kunst des Werfens mit Pfeilspitzen und Wurfsternen)
Die Kunst des Werfens mit Pfeilspitzen, Wurfsternen und Wurfnadeln wurde von den Samurai und Ninja gleich intensiv betrieben. Sie waren beide in der Lage, einen Shuriken oder Sha-ken aus einer Entfernung von fünfzehn Metern in eine Scheibe von drei Zentimetern Durchmesser zu werfen. Diese Kunst ermöglichte es z.B. dem Ninja, seine Gegner aus größeren Entfernungen unsichtbar zu töten, ohne sich selbst auch nur in den Gefahrenbereich zu begehen.
10. So-Jutsu (Kunst des Lanzen- oder Speerfechtens)
Die Kunst des Lanzen- oder Speerfechtens wurde zuerst unter Go Daigo Tenno erwähnt. Von der Mitte der Ashikaga-Periode an nahm sie einen raschen Aufschwung. Die Hozoin-Schule wurde unter vielen Schulen die berühmteste, deren Gründer In-Ei (gest. 1607) der Hauptpriester des Hozoin in Nara war. Die zum Training verwendeten Eichenlanzen waren bis über drei Meter lang. Kehle und Unterleib waren bei dieser Kampfart bevorzugte Zielpunkte.
11. Tanto-Jutsu (Kunst des Messerfechtens und der Messerabwehr)
Die von den Samurai geübte Kunst des Messerfechtens und der Messerabwehr spielte neben der Fechtkunst eine untergeordnete Rolle.
12. Yawara (anatomische Kenntnis zur Ausübung des Jiu-Jitsu)
Yawara war die Anwendung anatomischer Kenntnisse zum Zweck des Angriffs und der Verteidigung. Es gehörte zum Jiu-Jitsu und war ein Bestandteil der Sanften Kunst.
Quelle:
Die Samurai – Ihre Geschichte und ihr Einfluss auf das moderne Japan
Kuno Mauer (Knaur Verlag)
ISBN 3-426-03709-2
